Was bedeutet Brand Gating auf Amazon?
Der Begriff „Brand Gating“ bedeutet im weitesten Sinne ins Deutsche übersetzt „Markenschutz“ (Brand = Marke, Gating = Tor / Gatter / Beschränkung). Im konkreten Zusammenhang mit Amazon bedeutet Brand Gating, dass hier ein Service eingeführt wurde, der Markenprodukte „schützen“ soll. Der Schutz besteht daran, dass mit aktivem Gating der Inhaber, bzw. Hauptverantwortliche einer Marke entscheiden kann, welche Drittanbieter ein bestimmtes Markenprodukt auf Amazon verkaufen dürfen. Bei den meisten Artikel auf dem Amazon Marktplatz kann sich nahezu jeder Verkäufer „dranhängen“, d.h. ein schon bestehendes Produkt ebenfalls anbieten. Durch das Brand Gating wird genau dieser freie Zugang zum Produktkatalog stark eingeschränkt.
Warum wurde Brand Gating eingeführt?
Grund 1: Brand Gating verhindert eine negative Preispolitik
Die Basisfunktion des Amazon Marketplace ist, dass im Prinzip jeder Händler jedes beliebige Handelsprodukt zu einem freibestimmbaren Verkaufspreis anbieten kann. Zentraler Bestandteil dabei ist der Produktkatalog mit all seinen verschiedenen Kategorien. Bei den meisten hier gelisteten Artikel liegt eine EAN oder ISBN vor, welche bei Amazon als ASIN angezeigt wird. Wurde ein Produkt bereits durch einen Verkäufer angelegt und möchte nun ein zweiter Verkäufer das gleiche Produkt (identische EAN / ASIN) verkaufen, dann werden beide Angebote auf der gleichen Produktdetailseite zusammengefasst. In die sogenannte “BuyBox” gewinnt oft nur das Angebot, bzw. der Verkäufer, der den günstigeren Preis einstellt. Dadurch entsteht oft eine Abwärtsspirale des Preises, die aus Sicht der Marken und Hersteller den durchschnittlichen Marktpreis stark reduzieren und damit das Image eines Artikels negativ beeinflussen. Gibt es also nur noch einen, bzw. wenige Verkäufer, ist der Preiskampf tendenziell weniger stark und Verkaufspreise besser „kontrollierbar“.
Grund 2: Brand Gating verhindert gefälschte Produkte
Amazon hat sich auf die Fahnen geschrieben, dass kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein, ergo steht die Kundenzufriedenheit der Konsumenten im Vordergrund. Erhält ein Käufer nun ein gefälschtes Produkt, widerspricht dies zu 100% diesem Grundsatz. Genau dazu hat Amazon das Brand Gating auch und hauptsächlich eingeführt, denn umso mehr Verkäufer aus dem „Graumarkt“ Markenprodukte uneingeschränkt verkaufen können, desto größer ist auch das Risiko, dass gefälschte Waren in den Umlauf geraten. Durch ein aktives Brand Gating kann der Markeninhaber selbst entscheiden, welche Wiederverkäufer für den Verkauf ihrer Produkte auf Amazon freigeschaltet, bzw. aktiviert werden.
Grund 3: Brand Gating erhöht die Content-Qualität
Ein weitverbreitetes Problem vieler Vendoren auf Amazon besteht darin, dass ihre Produkte falsch oder zumindest nicht erwartungsgemäß auf dem Marketplace dargestellt werden. Das liegt u.a. daran, dass praktisch jeder Verkäufer, der eine bestimmte ASIN anbietet, den bereits vorhandenen Content (Produkttitel, Bulletpoints, Produktbeschreibung, Backend-Keywords und Produktbilder) verändern und überschreiben kann. Besonders hinsichtlich der Produktfotos ist das oft ein großes Problem, denn falsche oder unvorteilhafte Darstellungen der Produkte verhindern Käufe, bzw. lösen ggfs. auch unnötige Retouren aus. Zudem wirken sich veränderte Produktdaten auch auf das Amazon Ranking und die Performance im Amazon Advertising aus. Werden bspw. wichtige und relevante Keywords durch „Third-Party-Player“ gelöscht oder verändert, hat das oft einen spürbaren, negativen Einfluss auf die organische und anorganische Sichtbarkeit der entsprechenden Produkte. Mit einem aktiven Brand Gating lässt sich die Veränderung des Contents auf den Produktdetailseiten zumindest auf sehr wenige Parteien einschränken, bzw. bei einem exklusiven Verkaufen von Artikel durch nur einen Seller oder Vendor komplett limitieren.
Amazon Brand Gating in den USA
Das Brand Gating exisitiert bereits seit 2016 in den USA, also auf Amazon.com und wurde eingeführt, als sich die Marke Birkenstock mit dem Direktvertrieb seiner Produkte von der Plattform zurückgezogen hatte. Grund dafür war (zumindest offiziell) die Tatsache, dass sich an die bestehenden, aktiven Produkte von Birkenstock Drittanbieter (Third-Party-Seller) angehängt und teilweise auch Plagiate verkauft haben. Eine Reaktion seitens Amazon war eben auch die Einführung des Brand-Gating-Programms, um zukünftig andere Marken davor zu schützen, dass Produktfälschungen leicht in den Umlauf geraten können. Auch für andere (große) Marken wie Lego, Hasbro, Nike, Adidas, Samsung und Asics ist das Brand Gating auf Amazon.com aktiv (Quelle: legal-patent.com).
Amazon Brand Gating in Deutschland und Europa
Aktuell (Stand Mai 2019) ist Amazon gerade dabei, dass Brand Gating auch für den deutschen und weiteren europäischen Marktplätzen mit ausgewählten Marken zu starten. Flächendeckend, bzw. frei für alle in Deutschland registrierten und auf Amazon aktiven Marken ist diese Form des Markenschutzes derzeit noch nicht verfügbar.
Brand Gating vs. Amazon project ZERO
Das Thema Kundenzufriedenheit ist Amazon wie bereits erwähnt enorm wichtig und dazu gehört es eben auch, den Verkauf von gefälschten Produkten so gut es geht einzudämmen und zu verhindern. Das Brand-Gating-Programm war und ist einer der ersten Schritte seitens Amazons gewesen, um Verbraucher aber auch Markenhersteller besser zu schützen. Seit 2019 gibt es ein weiteres Programm, dass den Verkauf von Plagiaten auf Amazon weiter eindämmen soll. Das „project ZERO“ basiert zwar ähnlich wie Brand Gating als eine Art Self-Service, geht dabei aber im Detail anders vor. Während mit Brand-Gating generell ASINs freigeschaltet werden müssen, bzw. von Anfang für Third-Party-Seller gesperrt werden basiert project ZERO auf einem automatisierten Ansatz mit Machine-Learning. Zusätzlich können Produkte durch eine für Drittanbieter unsichtbare Seriennummer besser geschützt werden. Mehr zum Thema project ZERO: https://www.intomarkets.com/wiki/amazon-project-zero/
Ist Reselling auf Amazon mit Brand Gating noch möglich?
Der Amazon Marktplatz basierte bis dato immer darauf, dass beliebige Produkte von beliebigen Verkäufern angeboten werden können. Auch wenn Markenhersteller nicht direkt ihre Produkte auf Amazon angeboten haben (z.B. über eine B2B-Beziehung, bzw. Vendor-Vertrag mit Amazon), konnten Reseller / Retailer diese Markenprodukte selbst anbieten. Damit konnte und kann Amazon sein Angebotsportfolio enorm breit aufstellen. Mit zunehmenden Beschwerden von Konsumenten und Markenanbietern über gefälschte Produkte z.B. aus China und Taiwan (Quelle: Internetrecht-Rostock.de) die eben genau durch das Reselling entstanden sind, ist Brand Gating eine starke Einschränkung. Indem Marken zukünftig selbst entscheiden können, welche Wiederverkäufer die eigenen Produkte auf Amazon anbieten dürfen, ist der Zugang zukünftig für viele Third-Party-Player stark eingeschränkt, bzw. gänzlich verwehrt. Ein klassisches Reselling wäre damit nur noch sehr bedingt möglich.
Wie kann man sich für das Brand Gating auf Amazon registrieren?
Derzeit ist das Amazon Brand Gating nicht frei für alle Marken zugänglich und wird sowohl auf Amazon.com als auch anderen Ländern durch den Vendor-Manager in Abstimmung mit dem jeweiligen Vendor manuell aktiviert. Folgende Schritte sind bei der Registrierung vom Brand Gating notwendig:
- Die Marke muss bei einer landesspezifischen Registrierungsstelle (bspw. DPMA in Deutschland) angemeldet werden.
- Die Marke muss bei der Amazon Brand Registry hinterlegt werden.
- Eine spezifische ASIN-Liste muss an Amazon übermittelt werden, für die das Brand Gating aktiviert werden soll.
- Drittanbieter / Reseller müssen nach aktiviertem Brand Gating vom Markeninhaber für jede einzelne ASIN freigestellt werden. Voraussetzung dafür ist in der Regel, dass man einen schriftlichen Nachweis erbringen kann, dass man mindestens 30 Markenprodukte innerhalb von 90 Tagen beim jeweiligen Hersteller bezogen hat.
Kritik am Amazon Brand Gating Programm
Kritisiert wird das Brand Gating Programm vor allem in der Hinsicht, dass Third-Party-Seller für die Freischaltung jeder einzelnen Marke zur Kasse gebeten werden. Die Kosten für die Markenfreischaltung können zwischen 500 und 5.000 USD (Quelle: Internetrecht-Rostock.de) betragen. Ein weiterer Kritikpunkt besteht in der manuellen Auswahl der Marken durch Amazon, welche für das Brand-Gating-Programm freigeschaltet werden. Ähnlich wie beim „project ZERO“ selektiert Amazon die Marken nach eigenen Kriterien und aktiviert den Markenschutz nur für wenige (eher große) Hersteller / Vendoren. Die Kritik liegt dabei auf der Hand: Auf diese Weise bleibt vielen kleineren Marken der Zugang zum Brand-Gating vorerst verwehrt.
Fazit zum Amazon Brand Gating
Generell ist der Markenschutz und damit auch der Kampf gegen Produktfälschung seitens Amazon ein richtiger Schritt. Auch die hoheitliche Verwaltung der Produktdaten durch den Markeninhaber ist absolut sinnvoll und in einigen Kategorien auch dringend notwendig. Als spezialisierte Amazon-Agentur haben wir es regelmäßig überschriebenen Content durch Third-Party-Seller zu tun, wodurch die Qualität der Produktdarstellung und auch die Performance der Werbekampagnen stark leiden und z.T. einen starken Wettbewerbsnachteil für den jeweiligen Vendor bedeuten. Auch die Preisabwärtsspirale ist hinsichtlich sinkender Margen und damit eingeschränkter Möglichkeit für Werbemaßnahmen ebenfalls ein großes Problem, dass durch den sogenannten „Graumarkt“ ausgelöst oder zumindest begünstigt wird. Durch ein Brand Gating besteht zumindest die Möglichkeit, genau diesen Problemen proaktiv entgegenzuwirken.