AmazonFresh verliert gegen REWE – wie gut ist Amazon wirklich?
Eines vorweg: Dieser Vergleich erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch können einige interessante Kenntnisse im Direktvergleich zwischen AmazonFresh und dem Lieferdienst von REWE festgehalten werden. Wir haben die beiden Anbieter in Hamburg getestet.
Amazon Fresh vs. REWE Lieferservice – Leistungsvergleich
Warum eigentlich schleppen wir schwere Wasserflaschen, Säfte, Waschpulver und andere Lebensmittel derselben Gewichtsklasse beinahe tonnenweise in unsere Wohnung im 4. Stock, während wir ansonsten so gut wie alles online shoppen und uns bis an unsere Wohnungstür liefern lassen? Zumal das Geschäft mit dem Lieferservice für Lebensmittel nicht unbedingt neu ist. Wer in ländlichen Regionen aufgewachsen ist, kennt sie noch: die alten Lebensmittellieferwagen, die einmal pro Woche in jedem Dorf der Region Halt machten, um „Omma“ mit einer lauten Klingel aus der Stube zu locken. Vom Prinzip her sind AmazonFresh & Co. nicht wirklich anders, nur Geschwindigkeit und Größenordnung sind nicht ansatzweise vergleichbar.
Das Angebot von Amazon Fresh und REWE
Das Rennen um die Zeit hat REWE bereits gewonnen. Seit 2011 beliefert das Unternehmen in verschiedenen Städten seine Kunden mit Lebensmitteln. AmazonFresh ist in Deutschland erst seit diesem Jahr in ausgewählten Großstädten aktiv.
Was den Umfang des Sortiments betrifft, hat Amazon jedoch eindeutig die Nase vorn. Zwar kann REWE mit 10.967 online verfügbaren Artikeln durchaus auftrumpfen. Im Vergleich zum einstigen Online-Buchhändler, der aktuell 95.122 verschiedene Lebensmittel anbietet, erscheint diese Menge jedoch nahezu winzig.
Andererseits ist REWE an einigen Stellen etwas konsumentenfreundlicher: In unserem Test überzeugte der Vollsortimenter vor allem bei der Bestellung von Obst und Gemüse. Hier ist es möglich, stückweise zu bestellen, bei Amazon hingegen ist meist nur eine Bestellung in vorgegebenen Gramm-Einheiten verfügbar. Wer also z.B. Zucchini braucht, kann bei REWE ein einzelnes Stück bestellen. Mit 500g als kleinstmögliche Bestellmenge ist das Angebot von AmazonFresh hingegen eher etwas für Zucchini-Liebhaber.
Amazon App mit enttäuschender Usability
Im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit der Apps konnten keine wirklich gravierenden Unterschiede festgestellt werden. Insgesamt reagiert die REWE-App aber etwas flüssiger. Dies wird z.B. beim Legen von Ware in den Einkaufswagen deutlich, was bei Amazon zwar in gewohnter Weise funktioniert, aber immer auch mit kleinen Wartezeiten verbunden ist.
Auch bei der Bestellung an Laptop oder PC wirkt Amazon behäbiger als REWE. So ist z.B. die Trennung des „normalen“ Einkaufswagens und des Fresh-Einkaufswagens anfangs etwas verwirrend. Auch die Mehrmengenauswahl von Produkten ist bei REWE besser gelöst. Diese kann dort direkt auf der SERP (Suchergebnisseite) oder auf Kategorieebene vorgenommen werden. Bei Amazon ist dies nur auf der Produktdetailseite möglich, zudem ist ein zusätzlicher Klick mit dem Umweg über ein Drop-Down Menü notwendig.
Ein weiterer Negativpunkt für Amazon liegt darin, dass ein Großteil des Sortiments nicht für Next-Day-Lieferungen verfügbar ist. Ärgerlicherweise besteht nicht die Möglichkeit, im Voraus einen Filter zu setzen (wie bei Prime), der dem User die sofort verfügbaren Artikel ausgibt. Besonders bitter wird dies beim Abschluss der Bestellung: Hat man sowohl Next-Day-Produkte als auch Produkte mit einer späteren Verfügbarkeit im Warenkorb, kann man diese nicht in einem Zug bestellen. Es muss entweder ein späterer Liefertermin für die gesamte Lieferung gewählt werden oder die entsprechenden Artikel werden aus dem Warenkorb entfernt, sodass nur noch die Next-Day-Artikel verbleiben. Die übrigen Lebensmittel müssen dann erneut dem Warenkorb hinzugefügt und separat bestellt werden.
Bei der riesigen Auswahl unterschiedlicher Produkte hätte man bei Amazon zudem eine bessere Möglichkeit erwarten können, die Ergebnisse nach Preis zu sortieren. Möchte man z.B. die günstigste 1-Liter-Packung Frischmilch bestellen, kann man zwar über den Suchbegriff „Milch“ oder „Frischmilch 1l“ zu einer Liste mit Milch gelangen. Wer etwas Erfahrung mit der Produktsuche auf Amazon hat, weiß aber, dass nicht immer die subjektiv relevantesten Artikel auf der Suchergebnisseite gelistet werden. Wer dann nach Preis sortiert, bekommt also zwar das günstigste Produkt angezeigt, jedoch ist es nicht zwangsläufig eine 1-Liter-Packung Frischmilch, sondern wie hier z.B. 500ml H-Milch. Ebenfalls unnötig: Sortieren nach Preis bei AmazonFresh ist nur dann möglich, wenn zuvor eine entsprechende Kategorie ausgewählt wurde.
Same Day nur bei AmazonFresh
AmazonFresh bietet Same-Day-Lieferungen an, REWE Lieferdienst nicht. Hierin liegt der einzige, wirklich erwähnenswerte Unterschied in Bezug auf die Lieferzeit. Wer also erwartet, dass die Lebensmittel noch am selben Tag geliefert werden, der muss in jedem Fall auf Amazon zurückgreifen. Ansonsten ist die Vorgehensweise bei beiden Kontrahenten ähnlich. Der Kunde kann jeweils ein zweistündiges Zeitfenster buchen. In unserem Test erfolgte die Lieferung bei beiden Bestellungen zuverlässig innerhalb des gewählten Zeitfensters.
Während REWE den Einkauf in drei Papiertüten anliefert, nutzt Amazon zusätzliche Frischeboxen, welche mit den gefüllten Einkaufstüten bestückt werden. Besonders beeindruckend ist dies bei den Tiefkühlprodukten, welche mit mehreren Kältepads und Trockeneis in kaltgehalten werden. Allerdings gewinnt man auch den Eindruck, dass die Anzahl an Boxen und Tüten für die Größe des Warenkorbs evtl. ein wenig hoch ist.
Next Day Lieferung bei REWE und Amazon
Wie bereits erwähnt, ist bei AmazonFresh nicht jeder Artikel direkt verfügbar und leider kann auch kein Filter gesetzt werden, der zwischen sofort verfügbaren und erst in zwei Tagen verfügbaren Artikeln unterscheidet. Aber auch bei REWE läuft nicht alles rund, was die Verfügbarkeit angeht. Im Test wurden Blaubeeren in den Warenkorb gelegt. Beim Abschluss der Bestellung bat die App jedoch darum, diese durch einen anderen Artikel (z.B. Erdbeeren) zu ersetzen, da Blaubeeren nicht verfügbar seien. Eigentlich unnötig, dass man erst an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht wird.
REWE und AmazonFresh mit zuverlässiger Lieferzeit
Beide Lieferdienste haben bei den Testbestellungen vorbildlich an die Lieferung erinnert. Amazon schickt vor der Lieferung eine Notification per App und benachrichtigt zuvor bereits per Mail, dass die Lieferung wie geplant zugestellt wird. Auch REWE gibt per App einen Hinweis, zusätzlich dazu erhält man sogar eine SMS unmittelbar vor der Lieferung.
Eine Besonderheit im Test lag in der SMS, die REWE übermittelt hat. Bereits eine Stunde vor dem angegebenen Zeitfenster teilte der Lieferservice mit, dass der Einkauf schon in wenigen Minuten zugestellt werden könne. Man hoffe, uns bereits dann am Bestimmungsort anzutreffen. Dies hat anfangs etwas irritiert; da der Bote jedoch im Falle unserer Abwesenheit wartet oder innerhalb des eigentlich gewählten Zeitfensters erneut vor der Haustür aufschlägt, ist es lediglich als Option einer vorzeitigen Lieferung zu sehen. Wer also zufällig eher zu Hause ist als geplant, hat die Chance, seine Einkaufstüten eher entgegenzunehmen als bei der Bestellung beabsichtigt. Ansonsten erfolgt ein zweiter Zustellversuch im ursprünglichen Zeitfenster.
Amazon Fresh vs. REWE Lieferservice – Preise und Fazit
Kostet AmazonFresh mehr als der Lieferservice von REWE? Und wie viel teurer sind die beiden Dienste im Vergleich zu einem Discounter wie Aldi? Bevor es zur Beantwortung dieser Fragen kommt, zunächst ein Blick auf zusätzliche Gebühren.
Amazon Fresh erhebt Gebühren
Wer bei REWE online bestellen möchte, zahlt keine monatliche Grundgebühr. Allerdings besteht ein Mindestbestellwert von 40,00 € pro Bestellung. Bei Auswahl der Next-Day-Lieferung fallen 5,90€ Versandgebühren für ein frei wählbares Lieferfenster von 2 Stunden an. Wem ein größerer Lieferzeitraum oder eine Zustellung am übernächsten Tag reicht, der kann je nach Auswahl bis zu 2,00 € sparen. Ab einem Einkaufswert von 120,00 € ist sogar eine kostenlose Lieferung möglich.
Bei AmazonFresh hingegen sind Lieferungen ab einem Bestellwert von 40,00 € kostenlos. Unterhalb dieses Betrags fallen zwar 5,99 € Liefergebühren an, einen Mindestbestellwert gibt es allerdings nicht. Jedoch kommen weitere Gebühren hinzu: AmazonFresh setzt eine Prime-Mitgliedschaft im Wert von 69,00€ jährlich voraus, mit der man sich für zusätzlich 9,99 € pro Monat den Zugang zu Lebensmittellieferungen sichern kann.
AmazonFresh teurer als REWE Lieferdienst
Wer ist denn jetzt günstiger? Das hängt von den Artikeln ab, bezogen auf den reinen Produktpreis kann hierzu keine eindeutige Aussage getroffen werden. Je nach Artikel ist mal REWE, mal Amazon günstiger.
Auffällig ist aber, dass sowohl REWE als auch Amazon mit den meisten Basisartikeln preislich überraschend günstig ist. 500g Magerquark sind bei beiden Lieferdiensten beispielsweise zum gleichen Preis (0,79 €) erhältlich wie beim Discounter Aldi. Auch das Sixpack Mineralwasser in 1,5-Liter-Flaschen kostet z.B. bei Amazon Fresh ebenso viel wie beim beliebten Discounter mit dem blauen Logo (1,14 € zzgl. Pfand).
Gesamtpreis | AmazonFresh | inkl. Fresh-Gebühr | inkl. Prime-Gebühr | REWE |
absolut | 50,67 € | 55,67 € | 58,55 € | 51,41 € |
% | 99 % | 108 % | 114 % | 100 % |
Nimmt man unseren Testkauf (bestehend aus ca. 50 Artikeln des täglichen Gebrauchs) als Grundlage, so ist der reine Warenkorbwert bei Amazon etwa auf einem Niveau mit REWE, sogar ein bisschen günstiger. Allerdings müssen natürlich auch die zusätzlichen Abo-Gebühren für Prime und Fresh hinzugezogen werden.
Die obige Kalkulation setzt durchschnittlich zwei Bestellungen pro Monat voraus, auf die die zusätzlichen Gebühren entsprechend aufgeschlagen wurden. Wer eh schon Prime-Kunde ist, zahlt 8 Prozent mehr als bei REWE, wer dagegen auch eine neue Prime-Mitgliedschaft beantragen muss, zahlt im Mittel 14 Prozent mehr als bei REWE.
Gesamtfazit: Lieferdienst von REWE besser als AmazonFresh
Trotz seines kleineren Sortiments ist Vollsortimenter REWE dem Alleskönner Amazon im Bereich der Lebensmittellieferungen (noch) voraus – zumindest ist dies der Eindruck der Testkäufe.
Amazon Fresh bietet nur in Ausnahmefällen den stückweisen Obst- und Gemüsekauf an. Die Usability ist für den Lebensmitteleinkauf sowohl über App als auch über Desktop nicht besonders positiv zu bewerten. Und obwohl Amazon die Option auf Same-Day-Lieferung exklusiv hat: Störend ist insbesondere die Warenkorb-Problematik bei unterschiedlicher Produktverfügbarkeit. Die Lieferungen erfolgen bei beiden Anbietern zur geplanten Zeit, REWE ermöglicht im Einzelfall sogar eine (optionale) Lieferung vor dem vereinbarten Zeitfenster.
Der offensichtlich größte Kritikpunkt liegt bei Amazon in den zusätzlichen Gebühren. 8% bzw. 14% Aufschlag, nicht auf den Preis des stationären Handels, sondern auf den Preis eines anderen Lebensmittel-Lieferdienstes – das ist schon eine Hausnummer. Zusammen mit der vergleichsweise schwachen Benutzerfreundlichkeit ist dieser Preis nicht gerechtfertigt.
Die Zukunft wird zeigen, in welche Richtung sich das Kräfteverhältnis bewegt. Es ist jedoch durchaus zu erwarten, dass sich Amazon aufgrund seiner riesigen Kundenbasis und seiner stetig wachsenden Infrastruktur langfristig gegen Lieferdienste wie REWE & Co. durchsetzen wird. Insgesamt gesehen sind Lebensmittel-Lieferdienste – vorausgesetzt der Preis ist akzeptabel – eine echte Option zum „normalen“ Einkauf. Vor allem im Hinblick auf lagerfähige oder schwere Produkte wie Wasser, Säfte, Konserven oder Reinigungsmittel kann es Sinn machen, sich die Produkte bis an die Haustür zu liefern. In jedem Fall handelt es sich hierbei um ein spannendes Thema, das man zumindest einmal ausprobieren sollte – irgendwann war es auch für „Omma“ das erste Mal, dass sie beim Klingelwagen Eier und Mehl gekauft hat.
Marian beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem Thema E-Commerce, verkauft nebenberuflich Produkte unter eigenem Brand auf Amazon, eBay & Co. Sein Fokus liegt auf dem Setup und dem Controlling von SEA, insbesondere auf Amazon.
Hinterlasse einen Kommentar