Paid-Search auf Amazon wird immer wichtiger

Dass Amazon in Sachen Produktsuche Google vom Thron gestoßen hat, ist schon seit einiger Zeit kein Geheimnis mehr. Allerdings bringt die Tatsache, dass Amazons Marketplace aus Käufersicht eine Produktsuchmaschine mit riesigem Katalog ist, für Händler auch eine große Herausforderung mit sich: Sichtbarkeit der eigenen Produkte. Analog zu Google hat Amazon einen Paid-Search-Bereich etabliert, der auf Keyword-Basis passende Werbeanzeige ausspielt. Das klingt erst einmal überschaubar und wenig kompliziert und tatsächlich ist es das auch. Auf Gebotsbasis (Auktionsprinzip) können gezielt Produkte mit passenden Suchanfragen als Werbung u.a. direkt in den Suchergebnisseiten (SERP) angezeigt werden. Dieses Prinzip kennen wir auch von Google schon seit weit mehr als 10 Jahren. Und noch eine weitere Parallele gibt es bei den beiden Plattformen, wenn man auf die Entwicklung der SERPs schaut: Was mit rein organischen Ergebnissen begann, wucherte über die Jahre mit immer mehr Werbung zu. Genau diesem Bild folgt derzeit auch Amazon.

40% Werbung in den Suchergebnissen

Orientiert man sich einmal an der Beispielsuchanfrage „Werkzeugkoffer“ so wird dem potentiellen Käufer folgendes Bild geboten:

Amazon Brand Guide

  • 46 angezeigte Produkte
  • 8 Produkte als Sponsored Product Ad (kurz SPA)
  • 9 Produkte als Sponsored Brand (ehemals Headline Search Ad)
  • 1 Produkt als Deal

Bereits am Anfang der Suchergebnisseite zu „Werkzeugkoffer“ dominiert Paid-Search:

amazon-serp-werkzeugkoffer-werbung-1

Auch am Ende der SERP wird der Nutzer mit Werbung „bombadiert“:

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In diesem Beispiel kommen wir also auf 18 von 46 Produkte, die aus Performance-Marketing-Kampagnen ausgespielt werden – teils automatisch, teils manuell getargetet. Bezahlte Werbung innerhalb einer Suchergebnisseite macht in diesem Beispiel ca. 40% alle angezeigten Artikel aus. Was heißt das aber im Umkehrschluss? Die bittere Wahrheit: Organischer Traffic allein reicht schon jetzt nicht mehr aus, um in heißumkämpften Kategorien (und davon gibt es auf Amazon immer mehr) dauerhaft ausreichend Umsatz zu generieren.

Aus „Headline Search Ad“ wird „Sponsored Brand”

Dazu kommt, dass Amazon immer mehr Fläche auf seiner Website nutzt, um bezahlte Werbung anzuzeigen. Die ehemalige „Headline Search Ad“ wurde gerade im Zuge der Umbenennung von „Amazon Marketing Services“ (kurz AMS) zu „Amazon Advertising“ ebenfalls in „Sponsored Brand“ umbenannt. Schon vor der Umbenennung traf die Bezeichnung „Headline“ dieser Werbeform nicht mehr zu. Wurde sie noch vor einigen Monaten nur über den organischen Ergebnissen angezeigt, so werden jetzt noch weitere Flächen (links und unterhalb der Suchergebnisse) für die Ausspielung der Sponsored Brands genutzt. Mal mit und mal ohne Logo, mit und ohne Anzeige von Rezensionen nimmt diese Werbeform eine signifikante Rolle hinsichtlich Kundenwahrnehmung ein. Und einmal mehr gilt: Ohne Paid-Search bekommt man keinen Zugriff darauf und verliert folglich und zukünftig immer mehr Sichtbarkeit.

Amazons Eigenmarken in den Suchergebnissen

amazon-eigenmarken-find-berydale-suchergebnisseMan kann es als clever und frech zu gleich bezeichnen, dass Amazon vor allem im Fashion-Bereich (aber auch anderen Kategorien) seine eigenen Marken wie „FIND“ und „Berydale“ in die Suchergebnisse mogelt. Obwohl man diese Ausspielung kaum als „Mogeln“ per Wortdefinition benennen kann, denn die Darstellung ist z.T. mehr als offensiv. Auf hellgrauem aber dennoch sehr gut sichtbarem Untergrund werden oft mehrere Artikel nebeneinander in einer sonst untereinander aufgereihten Produktdarstellung angezeigt. Das Perfide daran: Es handelt sich hierbei weder im ein „echtes“ organisches noch anorganisches Ergebnis. Es ist eher eine Art für Amazons Eigenprodukte exklusiv geschaffener Werbebereich, der die echten organischen Ergebnisse noch weiter nach unten verdrängt.

Gibt man z.B. die Suchphrase „Mantel Damen“ ein, so werden unter den 2 bis 4 gesponserten Produkten (SPAs) 4 Eigenprodukte von Amazon angezeigt. Erst darunter geht es dann mit der eigentlichen Suchergebnisliste weiter. Auch die Bezeichnung „Top-bewertete Produkte unserer Marken“ ist oft mindestens anzuzweifeln, denn speziell in diesem Fall sind gerade die ersten beiden Produkte mit einer, bzw. fünf Bewertungen und einem durchschnittlichen Rating von 4,0 alles andere als „Top“. Die zwei direkt darunter angezeigten organischen Treffer weisen nämlich 18, bzw. sogar 101 Bewertungen mit einem Durschnitts-Rating von 4,5 auf. Auch hinsichtlich diverser SEO-Richtlinien sind die eigenen Produkte von Amazon meist nicht ansatzweise als „optimiert“ zu betrachten, haben schlechtere Sales-Rankings, weniger Bewertungen und werden dennoch viel sichtbarer als alle anderen Produkte angezeigt. Ein Schelm, wer hier Amazon Absicht unterstellt.

SEO ist und bleibt wichtig, aber nur als Kosmetik-Faktor

Zurück zum Ausgangspunkt: Traffic allein über SEO abzugrasen wird bei zunehmender Werbefläche und Amazons Eigenmarkenprodukte immer schwieriger. In einigen Bereichen (speziell bei Longtail-Keyphrases) tummeln sich noch deutlich weniger Anzeigekunden, ergo kann hier mit rein organischem Traffic noch Umsatz generiert werden. Genau hier ergibt sich allerdings auch die Chance, für bezahlbares Geld Werbung zu schalten. Selbst wenn man bereits Platz 1 in den organischen Ergebnissen erreicht hat, lässt sich durch eine darüber ausgespielte Sponsored Produkt Ad und vielleicht sogar ergänzend (wenn man mindestens 3 ähnliche oder zur Suchanfrage passende Produkte im Köcher hat) eine Sponsored Brands in Kombination die erste Suchergebnisseite dominieren.

In jedem Fall rücken so mit Werbung kombiniert die eigenen Produkte viel mehr in den Käuferfokus und machen es der Konkurrenz schwerer, ähnliche Artikel zur gleichen Suchanfrage sichtbar zu machen. Dabei gilt es immer zu bedenken: Der gemeine Amazon-Nutzer ist nicht selten scroll-faul. Passen die ersten Ergebnisse zu seiner Suchintention (Preis, Vorschaubild, Prime, Rezensionen und Titel-Relevanz einbezogen), steigt auch die Klick- und darauf die Kaufwahrscheinlichkeit. Ein weiterer Vorteil: Wo weniger Advertising-Konkurrenz, da geringere Klickkosten. Wer seine KPIs im Griff und genügend Marge auf seine Produkte hat, sollte sich dringend auch in den Midtail- und Longtail-Bereichen mit bezahlter Werbung breit machen. Eines ist sicher: Irgendwer wird es irgendwann nämlich so tun.

Das reine Optimieren der Produktdaten für den A9-Algorithmus ist dabei allerdings nicht zu vernachlässigen, wenngleich auch kein Allheilmittel (mehr). Erst bei der Platzierung der wichtigsten und relevantesten Keywords kann man sicherstellen, dass überhaupt eine Ausspielungschance der Kampagnen bestehen. Eines ist dabei (fast) immer zu beobachten: Schlecht oder gar nicht optimierte Produkte sorgen auch für eine z.T. deutlich schlechtere Performance der Werbekampagnen. Bevor man also den großen Geldtopf öffnet und diesen auf Amazons Performance Marketing schütten möchte, sollten man wenigstens ein Teil davon in eine solide Produktoptimierung investieren, sich aber allein darauf nicht ausruhen.

Fazit: SEO ist gut, SEA ist besser

Die schmerzliche Wahrheit gilt auf Amazon genauso wie auf Google: Wer verkaufen will, muss bereit sein zu investieren. Nicht immer steht (oder sollte stehen) dabei die Rentabilität einzig und alleine im Vordergrund. SEA (Search Engine Advertising) auf Amazon ist häufig auch als eine Art Investment in zukünftige Umsätze zu sehen. Der durch die Paid-Search generierte Mehr-Traffic und Mehr-Absatz sorgt zudem auch oft für ein Steigen der organischen Rankings, was den Umsatz weiter ankurbelt. Mit einer ordentlichen Optimierung der Produkte als Basis kann SEA auf Amazon sich wirklich und belegbar lohnen. Immer nur auf den niedrigsten ACoS zu achten, ergibt dabei genauso wenig Sinn, wie den Geldhahn unkontrolliert aufzudrehen. Gut geplant und strukturiert ist und wird Performance Marketing ein wichtiges Standbein für zukünftigen Umsatz auf Amazon.

Und noch ein letzter Aspekt ist hinsichtlich SEO und SEA zu bedenken: Nur mit organischer Sichtbarkeit allein kann kein Eigenschutz der Marke betrieben werden. Oft rankt man logischerweise zu eigenen Marken weit oben. Was aber, wenn die Konkurrenz plötzlich auf eben diesen Markennamen Werbung schaltet. Verboten ist es jedenfalls nicht – weder aus Amazon- noch aus rechtlicher Perspektive und gehört zum Tagesgeschäft im Performance Marketing. Hier gibt es nur ein Mittel: Selbst den eigenen Markennamen bewerben. Denn eines ist sicher: Wenn man es selbst nicht macht, wird es früher oder später die Konkurrenz tun.

Vortrag Ronny Marx SEAcamp 2018 in Hannover

Am 02.11.2018 fand das alljährige SEAcamp in Hannover mit circa 200 Teilnehmern statt. Seit über 5 Jahren gibt es hier Neuigkeiten und Best Practices aus dem Bereich Paid-Search für die Teilnehmer zu hören und neu in diesem Jahr war auch das Themenfeld Amazon. Auch wenn das SEAcamp keine explizite Amazon-Konferenz ist, so waren immer zwei Themen mit Performance-Marketing auf einem der größten Marktplätze der Welt besetzt. Die Vortragsfolien von mir zum Vortrag „Amazon Advertising – Wie funktioniert Performance Marketing auf Amazon? Welche Werbeformen und messbare KPIs gibt es? Wie reagiert der Alogrithmus auf Produktdaten und beworbene Keywords? Ein Überblick über die Werbeformate von Amazon und praxisnahe Beispiele.“ können hier frei heruntergeladen werden:

Wer mehr über Amazon Advertising lernen und erfahren will, der sollte sich unbedingt den 03.05.2019 notieren, denn dort findet zum dritten Mal der merchantday in Hannover statt. Mit ca. 660 Teilnehmern war der merchantday 2018 bereits die größte Amazon Konferenz in Deutschland und demnach auch eine der wichtigsten E-Commerce-Konferenzen im deutschsprachigen Raum – für 2019 sind noch größere Ziele gesteckt. Fakt aber ist: Es wird jede Menge Fachwissen rund um viele Marketplace-Themen geboten. Natürlich geht es u.a. um die Optimierung von Produktdaten und PPC-Kampagnen. Vor allem spielen die Themen „Automatisierung“ und „Internationalisierung“ im kommenden Jahr eine wichtige Rolle bei den Vorträgen. Wer auf Amazon als Seller, Vendor oder Agentur unterwegs ist, der sollte sich dieses wichtige Event also nicht entgehen lassen.

Übrigens: In den Vortragsfolien zum SEAcamp 2018 (PDF als Download) ist am Ende ein 20% Gutschein-Code für den merchantday 2019 enthalten, der maximal 20 mal eingelöst werden kann – first come first serve.

Autor

  • Ronny Marx

    Ronny beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit dem Thema Suchmaschinenoptimierung, ist regelmäßig auf Konferenzen als Speaker unterwegs und bloggt gerne über seine Kernkompetenz SEO.