Amazon ist mit einem Umsatz von rund 514 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 das weltweit größte E-Commerce-Unternehmen. Dieser Erfolg geht mit einer sehr starken Marktposition einher. In der EU-Antitrust-Debatte geht es um den Vorwurf der Europäischen Kommission, dass Amazon seine Marktmacht missbrauche, um eigene Produkte zu bevorzugen und die Konkurrenzprodukte zu benachteiligen. Amazon nimmt als Unternehmen zwei verschiedene Rollen ein: Zum einen stellen sie eine Verkaufsplattform für Händler zur Verfügung, zum anderen verkaufen sie selbst Produkte an Kunden auf dieser Plattform – im Wettbewerb mit anderen Anbietern. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission zwei Prüfverfahren gegen Amazon eingeleitet. Dabei wurde untersucht, ob die Verwendung sensibler Daten durch Amazon gegen die EU-Wettbewerbsregeln verstößt und ob Amazon als Plattformanbieter eine unfaire Wettbewerbsposition gegenüber anderen Händlern einnimmt.

Was ist in der EU-Antitrust-Debatte passiert?

Die Europäische Kommission hat im Juli 2019 die erste offizielle Untersuchung gegen Amazon eingeleitet. Konkret haben sie geprüft, ob das Unternehmen nicht-öffentliche Daten externer Händler auf seiner Plattform nutzt, um verkaufsstarke Produkte zu identifizieren und entsprechend selbst ähnliche Produkte auf dem Marktplatz anzubieten.

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Parallel dazu hat die Europäische Kommission im November 2020 ein zweites kartellrechtliches Prüfverfahren durchgeführt. In diesem Verfahren wird Amazon vorgeworfen, eigene Produkte und die Produkte von FBA-Verkäufern (Fulfillment by Amazon) künstlich zu begünstigen. Verkaufen Händler ihre Produkte mit FBA, läuft die Logistik, der Versand und der Kundenservice komplett über Amazon. Artikel von FBA-Verkäufern erhalten automatisch auch den Amazon Prime-Status, sodass Kunden ihre gekauften Artikel schneller und versandkostenfrei erhalten. Diese Konsumenten zu erreichen, ist insofern wichtig, da die Zahl der Prime-User stetig wächst und Werbetreibende mit ihnen in der Regel einen höheren Umsatz erzielen als mit Nicht-Prime-Nutzern. Die Buy Box, also das Einkaufswagenfeld, mit dem Prime-Label wird an prominenter Stelle auf der Amazon Produktdetailseite angezeigt. Hierüber legen Kunden ihre Produkte in den Warenkorb. In der zweiten Untersuchung prüft die EU-Kommission, ob die Kriterien, die Amazon für die Auswahl der Gewinner der Buy Box bestimmt, zu einer Begünstigung der FBA-Verkäufer führen. Da die Gewinner der Buy Box die meisten Verkäufe verzeichnen, führt diese Bevorzugung auch zu einer unfairen Wettbewerbssituation, die wiederum Amazon zugutekommen würde.

Was hat die kartellrechtliche Untersuchung der EU gegen Amazon ergeben?

Das Prüfverfahren führte zu folgenden vorläufigen Entscheidungen der Europäischen Kommission:

  1. Amazon hat seine marktbeherrschende Position in Deutschland, Frankreich und Spanien, den größten Marktplätzen der EU, missbraucht.
  2. Darüber hinaus hat Amazon unzulässigerweise die Geschäftsdaten externer Händler dazu verwendet, den Wettbewerb zu verzerren.
  3. Außerdem hat Amazon die Buy Box- und Prime-Kriterien zum eigenen Vorteil genutzt.

Verpflichtungen von Amazon gegenüber der Europäischen Kommission

Amazon hat seit Beginn der Vorwürfe umfassend mit der Europäischen Kommission zusammengearbeitet und zunächst die folgenden Verpflichtungsangebote geliefert:

  • Nutzung öffentlicher Daten: Amazon wird keine Daten von Drittverkäufern des Amazon Marktplatzes für sein eigenes Einzelhandelsgeschäft verwenden. Dies betrifft sowohl Tools als auch Mitarbeitende von Amazon. Die Daten werden nicht für den Verkauf eigener Produkte genutzt.
  • Buy Box: Alle Werbetreibenden werden bei der Vergabe der Buy Box gleich und fair behandelt. Zudem wird eine zweite Buy Box eines Konkurrenzprodukts unter der ersten angezeigt, sofern ein solcher Artikel verfügbar ist und sich in Preis oder Lieferung unterscheidet.
  • Amazon Prime: Bei der Qualifizierung für das Prime-Programm gelten faire und diskriminierungsfreie Bedingungen. Prime-Händlern steht es frei, ihre Logistik- und Lieferunternehmen selbst zu wählen. Die Daten, die Amazon durch Prime über die Konditionen dieser Unternehmen erhält, werden nicht für die eigenen Dienste missbraucht.

Die Europäische Kommission führte daraufhin zwischen Juli und September 2022 eine Prüfung der Verpflichtungszusagen durch. In diesem Zeitraum hat die Kommission Personen oder Gruppen, die Interesse an dem Thema haben, konsultiert, um zu prüfen, ob die von Amazon angebotenen Verpflichtungen ausreichen, um die Bedenken hinsichtlich des Wettbewerbs zu beseitigen. Nach dem Markttest nahm Amazon die folgenden Änderungen an seinen ursprünglichen Angeboten vor:

  • Die zweite Buy Box wird besser dargestellt und hervorgehoben, um die Aufmerksamkeit der Kunden auf sie zu lenken. Außerdem führt Amazon einen Prüfmechanismus ein, der sicherstellt, dass konkurrierende Angebote angemessen präsentiert werden und die Kunden eine faire Wahl haben.
  • Verkäufern und Transportunternehmen werden frühzeitig ihre Verpflichtungen und Rechte mitgeteilt. Dies soll Händler darüber informieren, dass sie das Recht haben, unabhängige Logistikunternehmen zu beauftragen.
  • Amazon ermöglicht es anderen Transportunternehmen Händler direkt zu kontaktieren, um ihnen ihre Dienste anzubieten. Dabei wird darauf geachtet, dass die Datenschutzrichtlinien eingehalten werden. Auf diese Weise wird mehr Wettbewerb in der Logistikbranche gefördert und ein faireres Umfeld geschaffen.
  • Es wird ein besserer Schutz der Daten von Logistikunternehmen, insbesondere in Hinblick auf die Frachtverträge, gewährleistet.
  • Der Überwachungstreuhänder, der die Verpflichtungen von Amazon überwacht und der Kommission Bericht erstattet, erhält mehr Befugnisse.
  • Amazon richtet ein Beschwerdemanagement ein, das es Verkäufern und Logistikunternehmen ermöglicht, sich zu beschweren, wenn sie der Ansicht sind, dass die Verpflichtungen nicht eingehalten werden.
  • Die Dauer dieser Verpflichtungen (Buy Box und Prime) für Amazon wird von fünf auf sieben Jahre verlängert.

Entscheidung der Europäischen Kommission gegen Amazon

Die Europäische Kommission hat geprüft, ob die von Amazon angebotenen Verpflichtungszusagen sicherstellen, dass die Daten der Verkäufer nicht mehr zum eigenen Vorteil genutzt werden und die Händler einen fairen und diskriminierungsfreien Zugang zur Buy Box und Prime erhalten. Die Kommission hat beschlossen, die Verpflichtungsangebote anzunehmen, sodass sie nun rechtsverbindlich sind. Die neuen Regeln gelten für alle bestehenden und künftigen Marktplätze von Amazon. Italien ist jedoch von diesen Verpflichtungen ausgenommen, da Amazon auf diesem Marktplatz bereits im November 2021 andere Verpflichtungen gegenüber der italienischen Wettbewerbsbehörde eingegangen ist.

Die Verpflichtungen gelten für fünf Jahre in Bezug auf die Datennutzung und für sieben Jahre in Bezug auf die Buy Box und Prime. Sollte Amazon gegen diese rechtsverbindlichen Zusagen verstoßen, drohen dem Online-Händler Bußgelder in Höhe von zehn Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes. Außerdem kann ein Zwangsgeld in Höhe von fünf Prozent des Tagesumsatzes für jeden Tag der Nichteinhaltung verhängt werden.

Noch Fragen zu dem Thema? Die Experten der Amazon Agentur intomarkets helfen immer gern.

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